23. November 2016

Designer-Porträts: Karl Lagerfeld

Karl Lagerfeld for Women

„Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ sagte Karl Lagerfeld einst und schickt dann 2014 seine Models für Chanel in eben diesen Hosen über den Laufsteg. Aber er sagt eben auch: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Karl darf das. Denn er ist eine Ikone, so viel ist klar. Doch welche Art Ikone überhaupt? Eine der Mode? Auf jeden Fall. Der Kunst? Auch. Der Kreativität, der Schlagfertigkeit, des Wortes. Seine Facetten sind zu zahlreich, um ihn zu definieren.

Dieser Mann, dessen berühmte Zitate inzwischen ganze Bücher füllen, hat einst die Einführung des 48-Stunden-Tages gefordert – und bei allem, was er so gleichzeitig tut, scheint er diesen auch exklusiv bekommen zu haben. Anders lässt sich schwer erklären, wie er als einzelne Person so viele Dinge „unter einen Hut“ bekommt, beziehungsweise unter den weiss gepuderten Pferdeschwanz.

„Als ich jung war, wollte ich Karikaturist werden, und letztlich bin ich eine Karikatur geworden.“

Schon rein optisch ist er eine künstlerische Inszenierung: die legendäre Frisur, die schwarze Sonnenbrille, die schwarze Kleidung, die ebenso schwarzen, fingerlosen Handschuhe. Karl Lagerfeld ist eine Weltmarke, die mit und für Weltmarken arbeitet. Chanel und er sind natürlich untrennbar miteinander verbunden. Schon seit 1983 ist er der kreative Kopf hinter dem Luxusnamen, den er in Coco Chanels Traditionslinie fortführt und es dennoch immer wieder schafft, mit Chanel auch bei einer jungen Zielgruppe für leuchtende Augen zu sorgen. In seiner Arbeit für das Modehaus wird der „Multi-Künstler“ jede Kollektion aufs Neue gefeiert, doch seine Persönlichkeit wird kontrovers diskutiert wie kaum eine andere. Er gibt sich immer sehr intellektuell (er selbst nennt es kultiviert) und ein wenig unnahbar, sagt, was er denkt und scheut auch nicht davor, wissentlich Gefühle zu verletzen. Das wirkt oft arrogant und einschüchternd. Hier stellt sich natürlich die Frage, wo Ehrlichkeit aufhört und Arroganz anfängt – eine Frage, die sich jeder selbst beantworten muss. Er sagt von sich, er nehme sich nicht allzu ernst und sei nie mit sich zufrieden. Ich habe bis heute schon viel über Karl Lagerfeld gelesen und gesehen und muss sagen, dass ich ihn zwar nicht immer sympathisch, aber sehr faszinierend finde. Und wir teilen die ungesunde Leidenschaft für Cola light.

Karl-Lagerfeld-Duftkampagne

„Ich habe immer etwas zu tun. Je mehr ich mache, desto mehr Ideen habe ich. Das Gehirn ist ein Muskel und ich bin eine Art geistiger Bodybuilder.“

Seine zahlreichen Projekte sind allgegenwärtig, viele private Fakten sind dagegen nicht von ihm bekannt. Er ist eben eine Kunstfigur, die sich ungern in die Karten schauen lässt. Fakt ist, dass der Modezar als Sohn einer wohlhabenden Familie in Hamburg geboren wurde. Sein Vater Otto, dessen Namen er als zweiten Vornamen trägt, war Inhaber des Kondensmilch-Herstellers Glücksklee-Milch GmbH.

Seit sein Lebensgefährte Jacques de Bascher de Beaumarchais Ende der achtziger Jahre starb, lebt er allein. Seine grosse Liebe gilt den Büchern – seine private Bibliothek umfasst über 300.000 Exemplare – und seiner Katze „Choupette“, die neben einer eigenen Nanny und mehreren Modekollektionen auch eigene Social Media-Accounts hat.

In Lagerfelds beruflichem Lebenslauf stehen die ganz grossen Namen: Seine eigentliche Karriere als Modedesigner begann 1955 bei Pierre Balmain, bevor er künstlerischer Direktor meines Lieblingslabels Chloé wurde. Darauf folgte sein bis heute anhaltender Erfolg mit Chanel. Parallel dazu entwirft er auch für das Luxuslabel Fendi und natürlich für sein eigenes Label, welches er 1984 gründete.

„Man trägt ein Parfüm nicht nur, um nett zu duften, sondern um sich damit schön und begehrenswert zu fühlen.”

Für dieses Label lancierte er in den letzten Jahren auch mehrere Düfte, denn Parfum ist „Mode für die Nase“. Mein Favorit ist das Eau de Parfum Karl Lagerfeld for Women, ein blumig-pudriger Duft, der durch seine Frische sofort gute Laune macht. Den Herrenduft verkörpert in der von Karl Lagerfeld selbst fotografierten Kampagne übrigens Baptiste Giabiconi, seine wohl bekannteste männliche Muse. In welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen, wird in Boulevardpresse immer wieder gerätselt.

„Am liebsten tue ich etwas, was ich noch nie getan habe.”

Auch um seinen Geburtstag macht Karl Lagerfeld ein grosses Geheimnis: bis vor kurzem  war sein wahres Alter nicht bekannt. Eine Journalistin deckte letztlich sein Geburtsdatum auf, es ist der 10. September 1933 – nebenbei: herzlichen Glückwusch, nachträglich. Damit zählt Kaiser Karl schon stolze 83 Jahre. Rente? Definitiv nicht in Sicht. Lieber plant er für die Zukunft eine eigene Hotelkette. Zum Glück für uns, denn ob man ihn nun mag oder nicht: eine Modewelt ohne Karl Lagerfeld wäre wie ein Spielplatz ohne Kinder.

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